Ausgabe 01/2020| 30. Januar 2020
Carl Hierl
Natürlich wäre Taufkirchen nicht von der Landkarte verschwunden, wenn der hier geborene und bis zu seinem Tode 2003 hier lebende Carl Hierl nicht nach dem Zweiten Weltkrieg die Fertigung von Polstermöbeln aufgenommen und später die Firma Himolla gegründet hätte. Seine Ausbildung begann er als Sattlerlehrling im elterlichen Betrieb, wo man vor 1939 vorrangig mit der Instandsetzung respektive Fertigung von Kutschen und Autos sowie Fahrrädern das Geld verdiente.
Aber auch das dürfte unbestritten sein: Die Gemeinde an der zumeist unaufgeregt dahin fließenden Vils würde heute wohl ein anderes Bild bieten. Und das nicht nur, weil sich dieser Carl Hierl nicht darauf beschränkte, einen über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Betrieb mit bald mehreren tausend Beschäftigten aufzubauen. Sondern weil er auch mit Geld und persönlichem Engagement Projekte in der Gemeinde förderte und formte und als großzügiger Spender in Erscheinung trat. Was ebenso verbürgt und mit ein Grund für die Ehrenbürgerschaft des Carl Hierl ist.
Natürlich muss auch erwähnt werden, dass das Kind, damals noch ein „Karl“, nach dem frühen Tod des Vaters in einem „Frauen-Haushalt“ aufwuchs, wo streng gläubige Mutter, Großmutter und Tante trotz widrigster Bedingungen für den Fortbestand des Betriebes kämpften. Denn ohne sie, ohne ihren unermüdlichen Einsatz sähe Taufkirchen heutzutage eben wohl auch anders aus.
Und vielleicht hätte es die Erfolgsgeschichte „Himolla“ auch nicht in diesem Maß gegeben, wenn es Elisabeth Keilhacker als Frau von Carl Hierl und Mutter von zwei Kindern nicht hingenommen hätte, dass das Familienleben auf Wochenenden begrenzt war und selbst dann noch oft genug dem Betrieb geopfert wurde. Was schon deutlich macht, dass dieser Mann seine Ecken und Kanten hatte, die letztendlich dann wohl auch zu den finanziellen Turbulenzen der Firma und zu seinem Ausscheiden führten. Danach folgte eine neue Existenz als Florist und Händler von Keramik und Holzschnitzkunst.
Thematisiert wird das auch in den in Buchform erschienen „Erinnerungen an Carl Hierl“ von Bodo Gsedl und Peter Keilhecker, dem Neffen des Unternehmers. Dort wird einerseits und sicher berechtigt das Bild eines Menschen gezeichnet, der voller Tatendrang und mit viel Durchsetzungskraft seine damals innovativen Ideen umsetzte, getragen von allgemeinem Wirtschaftsaufschwung und einem offensichtlich unerschütterlichen Glauben an den Erfolg durch Expansion.
Doch ebenso vermitteln diese Erinnerungen in aufrichtiger Weise das Bild eines Mannes, dessen Handlungsweisen bisweilen schwer verständlich gewesen sein müssen. Der sich wohl voller Empathie Menschen zuwenden konnte und trotzdem oft genug in der Lage war, anderen vor den Kopf zu stoßen, „seine“ Firma wichtiger zu nehmen als die Familie. Weshalb Carl Hierl ein weiteres Beispiel dafür ist, dass jeder Mensch mindestens zwei Seiten und seine Widersprüche hat.
Was in keinster Weise die Verdienste schmälert. Auch wenn sie nicht immer nachvollziehbar handelten: Es macht diejenigen, die wie der tief gläubige Carl Hierl Großes geleistet haben, einfach „menschlicher“.
pebe