Ausgabe 02/2021| 25. Februar 2021
Kleidergrößen
Offizielle Daten der momentan mitunter überlasteten Gesundheitsämter gibt es zwar noch nicht. Aber es genügt zumeist der morgendliche Gang zur Körperwaage oder ein prüfender Blick in einen Spiegel, um zu vermuten, dass dieses hinter uns liegende Jahr, das offensichtlich auch nach der Silvesternacht noch nicht so schnell aufhören will, seine Spuren hinterlassen hat.
Was sich allerdings auch an der Bekleidung ablesen lässt. Liegen doch nicht nur unzählige Business-Kostüme oder Anzüge im tiefen Winterschlaf, auch Jacketts, Röcke, akkurat gebügelte Hosen oder Kleider haben eine Auszeit genommen. Weil ja viele Menschen zu Hause oder im schlimmsten Fall gar nicht arbeiten.
Und für einen Konzert- oder Restaurantbesuch muss die Garderobe ja auch nicht aus dem Schrank geholt werden. Konzerte werden schließlich zu Hause „gestreamt“, Essen auf Rädern liegt jetzt auch bei jungen Menschen total im Trend und kann auch im weiten Pulli oder T-Shirt und bequemer Hose an der Wohnungstür in Empfang genommen werden.
Der Modetrend ist eindeutig und hat insbesondere bei Frauen, die im Home-Office oder gleichzeitig Mutter und Lehrkraft sind, einen Namen: Schlabberlook! Der dann nur kurzzeitig für eine Zoom-Konferenz oder ein Treffen auf Skype so weit etwas aufgepeppt wird, wie der Kameraausschnitt des Laptops reicht.
Doch auch was darunter zu finden ist, also unter dem Schlabberlook, hat sich (siehe oben) bei nicht wenigen Menschen in diesen Zeiten des Lebens in der Distanz durchaus verändert. Auch wenn man noch nie so viele Menschen sah, die sich eher verdrießlich auf Straßen oder Wegen dahin schleppen und es Joggen nennen. Was es ihnen übrigens erlaubt, drinnen wie draußen demselben modischen Stil zu frönen.
Doch diese Menschen joggen nicht nur draußen. Für viele von ihnen – und das gilt auch für Nicht-Jogger – ist der häufige Gang zum Kühlschrank eine liebe Gewohnheit geworden. Selbst was so an Kalorien verbraucht wird, das wird offensichtlich durch die unzähligen Stunden zu Hause auf dem Sofa bei weitem übertroffen.
Die Folge davon sind lange Schlangen an Postschaltern. Nicht einmal an Weihnachten wurde so viel von dem zurückgeschickt, was jetzt im Internet an Bekleidung geordert werden musste. Weil ja Modegeschäfte und Kaufhäuser geschlossen sind. Aber die Menschen sind nicht wählerischer geworden. Nein, es liegt an den Kleidergrößen. Die stimmen einfach in vielen Fällen nicht mehr.
Was seit Jahren eine 38 für sie oder die 52 für ihn war, passt nun nicht mehr. Weshalb sich Hosen in der gewohnten Größe nicht mehr schließen lassen. Hier hat die Bekleidungsindustrie ganz offensichtlich die Entwicklung vollkommen verschlafen. Sie hat nicht berücksichtigt, wie die meisten Menschen jetzt ihre Zeit verbringen. Dass beispielsweise das Applaudieren auf dem Balkon oder am Fenster für die Helden der Pandemie nicht einmal annähernd die geschlossenen Fitness-Studios, die entgangenen Shopping-Touren und nicht stattgefundenen Wochenendausflüge ausgleichen konnte.
Mein Vorschlag: die Corona-Größe! Die 38 bekommt einfach ein diskretes „C“ und entspricht dann einer 40/42. Das erspart den Menschen den Schock, mit einer neuen Kleidergröße konfrontiert zu werden, Rock oder Hose passen auf Anhieb. Und der Postschalter ist kein potentieller Hotspot mehr.
pebe