Demokratie 4.0 – unsere Gesellschaft im Wandel

Hat es einst nicht viel versprechend angefangen? Nachdem das Volk beispielsweise beim französischen Nachbarn auf die Barrikaden gegangen war, kam nicht nur mancher Kopf, sondern auch ein Prozess ins Rollen, an dessen Ende das zarte Pflänzchen der Demokratie entspross. Und mit der Novemberrevolution 1918 brachte es vor ziemlich genau 100 Jahren in deutschen Landen das Verhältniswahlrecht nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen mit sich.

Doch die daraus resultierende Weimarer Republik konnte nur 15 Jahre halten, was sie an Demokratie versprochen hatte. Ausgerechnet Wahlen führten zur Abkehr. Sie waren der Anfang für einen zweiten Weltkrieg mit Millionen Toten und Holocaust, der Rassen-Ideologie der Nationalsozialisten und ihrer Anhänger geopfert.

Als dann nach 1945 unter Druck und mit Hilfe der westlichen Alliierten aus den Trümmern des Dritten Reiches die Bundesrepublik Deutschland wie Phoenix aus der Asche entstand, war dies allerdings eher eine „Demokratie reloaded 1.0“, eine Verordnung zum zweiten Versuch. Schließlich lassen sich Gedanken und Überzeugungen nicht von heute auf morgen aus den Köpfen vertreiben.

Eine Generation später stieg dann zunächst Studenten der Muff unter den Talaren so gewaltig in die Nase, dass sie erst auf die Straße und dann auf die Barrikaden und manche auch in den Untergrund gingen. Was noch heute als 68er-Bewegung bezeichnet wird, entwickelte sich nicht nur in der BRD zur Demokratie 2.0. Denn es wurden nicht nur die Talare ausgelüftet, sondern viele Bürger begannen auch zu begreifen, dass sich ihre Verantwortung nicht nur auf zumeist regelmäßige Gänge zur Wahlurne beschränkte. Damit einher ging die Erkenntnis, dass auch der großartige wirtschaftliche Aufschwung nicht ohne Rücksicht auf die Natur auskam.

Doch entspanntes Zurücklehnen war selbst dann nicht möglich, als der Wald schon gerettet schien. Denn unter dem Mantel der Geschichte, der die Wiedervereinigung unter Kanzler Helmut Kohl umwehte, wollten die Felder nicht so recht blühen. Was als Grundstock einer Demokratie 3.0 gedacht war, nämlich ein Kapitalismus westlicher Prägung, ging im neuen Osten der Republik eher zu Lasten der einst von einer Einheitspartei grundversorgten Bevölkerung.

Das stärkte dort und bis heute vor allem die Rechten, insbesondere als die Finanzkrise und ein paar Jahre später die sogenannte Flüchtlingskrise zusätzlich Ängste schürten, auch wenn diese nicht immer real waren. Und jetzt, nachdem gesamtgesellschaftlich die Überzeugung wankt, dass die Märkte schon alles richten werden, weshalb sich mehr und mehr Menschen so gerne wieder in vergangene, „vor-globalistische“ und nationalistische Zeiten zurück beamen würden, scheint erneut der Moment gekommen, unserer Demokratie ein fundiertes Update zu verpassen.

Auch wenn es offenbar noch nicht einmal ein US-amerikanischer Präsident begriffen hat: Das Einzige, was jetzt hilft, ist eine Radikalkur. Was für 2019 auf der to-do-Liste stehen sollte, das wären beispielsweise der Abschied vom grenzenlosen Konsum, der Aufstand der Mehrheit gegen Nationalismus und Rassismus, das Engagement für gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine Politik, die den Mut zu unbequemen Entscheidungen hat.

So eine Demokratie 4.0 würde vielleicht die Chancen erhöhen, dass auch die Kinder von heute eine lebenswerte Zukunft haben.

pebe