Dahoam is dahoam

Jetzt ist sie schon wieder vorbei, die wunderbar „staade“ Zeit. Die Nerven liegen nicht mehr ganz so blank. Wir müssen schließlich nicht mehr mit gehetztem Blick durch Warenhäuser rennen und in Shopping-Center fahren, schließlich haben wir auch die Raketen für Sylvester schon längst gekauft.

Endlich können wir wieder ein Gefühl auskosten, für das die Bayern einen unübertrefflich zutreffenden Ausdruck haben. Sie sagen es zum Beispiel, wenn sie aus Antalya zurück sind oder aus der Karibik, mal gerade in Österreich beim Tanken waren oder einfach nur von der Arbeit zurückkommen. Sie schließen die Tür ihrer Wohnung oder des Reihenmittelhauses auf, lassen den Blick über die vertrauten Gegenstände schweifen und sagen – oft mit einem kleinen wohligen Seufzer verbunden: „Dahoam is dahoam!“

Was nicht unbedingt bedeutet, dass damit auf die gleichnamige Sendung im Bayerischen Fernsehen und die weitere Gestaltung des Abends hingewiesen werden soll, auch wenn diese Vorabendsendung eine große und langjährige Fan-Gemeinde hat. Nein, der Seufzer mit nachfolgender durchaus philosophisch angehauchter Aussage gilt der elementaren Erkenntnis, dass der Mensch einfach ein Zuhause braucht, einen Ort, mit dem er sich verbunden fühlt. Wo er sich mehr oder minder geborgen, also „dahoam“ fühlt. Was inzwischen sogar schon ein schwedisches Möbelhaus erkannt hat und deshalb behauptet, dass man sich mit ihren Möbeln zuhause ganz besonders zuhause fühlt.

Aber so einfach ist es nun wirklich nicht. Denn ob man dort, wo man lebt, ein Heimatgefühl hat, das ist nicht in erster Linie von der Einrichtung abhängig, das merkt man vielmehr erst dann so richtig, wenn man es eben nicht hat. Oder nicht mehr hat. Denn es kann durchaus vorkommen, dass man sich irgendwo zuhause gefühlt hat, aber dieses Gefühl dann plötzlich weg ist. Vielleicht weil es einen Menschen nicht mehr gibt, der zum Leben gehörte wie das Atmen.

Oder weil es plötzlich etwas gibt, was man noch nie haben wollte. Eine dritte Startbahn zum Beispiel. Oder einen neuen Nachbarn, der jetzt ständig für Streit sorgt. Es sind so viele Komponenten, die dafür sorgen können, dass man sich „daheim“ fühlt. Und mindestens ebenso viele, dass sich dieses Gefühl nur schwer oder sogar nie einstellt.

Allem Anschein nach besitzen es diejenigen Menschen am ehesten, die dort leben, wo schon ihre Eltern und Großeltern gelebt haben. Wo vielleicht auch der Fortschritt nicht der alleinige Schrittmacher war. Wo man alle kennt, und einen alle kennen. Um es mal ein bisschen plakativ und gleichzeitig doch auch pathetisch auszudrücken: Wo man seine Wurzeln hat.

Denn nicht nur alte Bäume vertragen es mitunter schlecht, wenn man sie verpflanzt. Davon können ja gerade in dieser Zeit die Weihnachtsbäume ein Lied singen. Nein, will man aus voller Überzeugung und auf Bairisch sagen können „dahoam is dahoam“, dann braucht man wohl seine Wurzeln.

Und deshalb wird ja auch Weihnachten nicht unterm Baum entschieden. Ob wir die Tage zum Jahresende hin wirklich genießen konnten und jetzt erwartungsvoll aufs Neue Jahr schauen, das hängt auch davon ab, ob wir ein Zuhause haben, wo wir uns daheim fühlen, „dahoam san“. Was natürlich auch für Nicht-Bayern und andere Menschen gilt, die des Bairischen nicht ganz so mächtig sind.

pebe