VOM GEHEIMNIS DES SCHWAMMERLS

… UND DEM DES MENSCHEN

Wenn allmählich der Spätsommer ins Land zieht, fängt die große Geheimnistuerei an: Da sieht man dann Menschen, die man’s ganze Jahr nicht im Holz draußen sieht, erst recht nicht mehr. Sobald das Auto verstohlen kilometerweit weg geparkt ist, verschwinden sie mit zwei Schulterblicken im hohen Tann, um dann irgendwo vollends im Unterholz abzutauchen.

Schwammerlsucher sind unterwegs (vermutlich, denn sehen tut man sie ja nicht). Trifft man unversehens doch auf einen und frägt: „Und, host wos gfundn?“ – wird die Antwort meist ein vermurmeltes „Naa, is net vui heraußen heuer!“ sein. Selbst der ansonsten redseligste Nachbar erscheint einem in diesem Moment wie ein seltsamer Waldschratz, der so schnell wieder entschwunden wie aufgetaucht ist. Und während man selbst mit zwei löchrigen Braunschwammerln den Heimweg antritt, trägt er einen ganzen Korb voller Steinpilze zum Auto … Was sieht er, was ich nicht sehe?

Heuer schaut es noch nicht so recht nach einem guten Schwammerljahr aus. Weil die Hasen (noch) „koa Kiache bachan“. Die Wälder müssen dampfen, sollen die Pilze wie Schwammerl aus dem Boden schießen. Warm und feucht muss es sein.

So wie damals, als der lang schon verstorbene Damabauern Peter, der ein großer Geschichtenerzähler war, Folgendes erlebte: „Obs es glaabts oder net! Gesteng bin i um Schwammerl ganga, und wia i amoi steh bleib und a weng verschnauf, do denk i ma: Wos druckt denn do a so, wos druckt denn do a so, nachert schau i zu de Fiaß owe – druckt do unter meine Schuah … a Schwammerl auffa!“

Man möchte annehmen, der Peter hätte vielleicht einen narrischen Schwammerl erwischt gehabt, aber dem Peter sind noch viele andere wundersame Geschichten widerfahren, von denen zu berichten es ein andermal wert wäre.

Den meist größten Teil eines Schwammerls sieht man nicht: das Geflecht, das sich im Boden ausbreitet. Das größte Lebewesen der Erde ist ein Schwammerl: ein Hallimasch drüben in Nordamerika. Neun Quadratkilometer groß, tausende Jahre alt und geschätzt 7.500 Tonnen schwer. Es ist genetisch ein einziger Organismus!

Und so scheint mir der Mensch letztlich auch wie ein Schwammerl! Das, was man von ihm sieht, ist nur der kleinere Teil, den man nicht mit seiner ganzen Persönlichkeit verwechseln sollte.

_Markus Tremmel