Man hat das ja immer ein bisschen beklagt. Dass nicht nur Kinder und Jugendliche immer öfter und länger vorm Computer sitzen, sondern vermehrt auch Erwachsene. Und jetzt ist manche Parkanlage besucht, als wäre jeden Tag Ostern, und es wären hunderte Schokoladeneier versteckt worden. Sogar aus Schrebergärten wird berichtet, dass dort Menschen gesichtet würden, die alleine schon auf Grund ihrer Bekleidung ganz offensichtlich nicht im Sinn hätten, Beete umzugraben oder Salat zu pflanzen.
Doch wer nun glaubt, es gäbe eine neue Bewegung „zurück zur Natur“, der muss bitter enttäuscht werden. Denn erstens sind die gleichen Leute auch zu Dutzenden, ja Hunderten im innerstädtischen Bereich und in allen Straßen und Gassen zu finden. Wo ja nun wirklich nicht so viel geboten ist für Naturliebhaber.
Und zweitens kriegen sie sowieso nicht allzu viel von ihrer Umwelt geschweige denn von der Natur mit, weil sie nämlich vorrangig auf ihr Smartphone starren. Denn während vor nicht allzu langer Zeit der Mensch und insbesondere seine mehr oder minder männliche Variante im Wald und auf der Heide auf die Jagd ging, wird heutzutage überall dort gejagt, wo ein Smartphone Empfang hat.
Das Ganze nennt sich dann Pokémon Go und ist weltweit ein solches Massenphänomen geworden, dass sich langsam auch Psychotherapeuten dafür interessieren und wahrscheinlich schon die ersten Selbsthilfegruppen organisieren. Denn dieses Computerspiel für Smartphone hat ganz offensichtlich Suchtcharakter. Es greift zwar den eher archaischen Gedanken vom Jäger und Sammler auf. Weshalb es auch weitgehend geschlechtsneutral ist.
Aber es erfordert eigentlich nur, dass man angestrengt auf sein Smartphone starrt. Auf dem angezeigt wird, wenn sich eines der kleinen Wesen, ein Pokémon, in der Nähe befindet. Dann muss man nur noch mit einer Art Ball darauf werfen. Und natürlich treffen. Und schon ist es gefangen. Worauf man dann bessere Bälle und sogar Sternenstaub und Himbeeren bekommt. Alles digital, versteht sich.
Das Aufregende daran: Die Fantasiewesen sitzen scheinbar in der realen Welt. Nämlich im Bild, wie es die Kamera des Smartphones von der Umgebung zeigt. Also zum Beispiel unter dem Stuhl auf der Terrasse, auf der man sitzt. Im Blumentrog. Was Spieler weltweit offensichtlich so sehr begeistert, dass sie nicht nur Zeit und Raum sondern manchmal auch ein bisschen den gesunden Menschenverstand vergessen. Weshalb schon Autofahrer dabei erwischt wurden, wie sie gerade ein Pokémon jagten.
Auch der Arbeit scheint das Spiel nicht so ganz zuträglich zu sein. Ein Autobauer und andere Firmen haben schon ganz offiziell die lustigen kleinen Kobolde des Firmengeländes verwiesen. Und auch in manchem öffentlichen Park hat die Begeisterung für den neuen Besucherstrom schon etwas nachgelassen. Denn auf der Jagd nach Sternenstaub und Himbeeren blieben schon manche Blumen und einige Beete auf der Strecke.
Dem Vernehmen nach sollen schon die ersten Versicherer über eine spezielle Police für Pokémon-Spieler nachdenken. Hält der Boom an, wird es nämlich nicht mehr allzu lange dauern, bis der Erste im Jagdeifer über ein Pokémon stolpert und sich vielleicht ein Bein bricht. Der Hersteller des Spiels lehnt aber jede Haftung ab.
pebe