Der Ernst des Lebens

Die eine oder der andere Erwachsene wird sich vielleicht noch erinnern. An diese ganze Aufregung, damals, vor dem ersten Schultag. Oder zumindest noch an die eigenen Kinder und wie sie in der Nacht davor kaum schliefen. Und vielleicht gibt es sogar erwachsene Menschen, die ihre Schultüte immer noch irgendwo aufbewahren. Denn schließlich ist sie ein Erinnerungsstück an ein Ereignis, das ausgesprochen einschneidende Veränderungen mit sich gebracht hat.

Wenn man mal davon absieht, dass sie für einige die erste große kreative Leistung war. Als sie nämlich im Kindergarten ihre Schultüte selber bastelten. Andere Kinder hingegen waren einfach nur genervt davon. Wobei natürlich nicht genau festzustellen ist, ob in diesen Fällen die angespannte Gemütslage wirklich nur durch das verordnete Basteln hervorgerufen wurde oder einfach der Aufregung geschuldet war über diesen großen Schritt in ein neues, anderes Leben, zumeist recht lapidar als „Einschulung“ bezeichnet.

Aber was verbirgt sich alles hinter diesem simplen Begriff! Zwar hat man in der Kindergartenzeit schon etwas das regelmäßige, frühe Aufstehen trainiert und gelernt, die schrecklichsten Dinge zu tun wie morgens Zähne putzen und Haare kämmen. Doch jetzt kommt es noch viel schlimmer. Wurde bis dahin noch die eine oder andere Nachlässigkeit geduldet, am ersten Schultag darf man wirklich erst aus dem Haus, wenn man „anständig“ angezogen ist und auch noch die Frisur sitzt. Als ob das dann in der Klasse einen Menschen interessieren würde.

Und dann das Getue der Eltern und anderer Verwandtschaft. Dauernd wird davon gesprochen, dass nun der Ernst des Lebens anfange. Als ob das Leben bis dahin nur zum Lachen gewesen wäre. Und nicht selten sind die Eltern noch aufgeregter als die Kinder, was ja auch nicht gerade zur Beruhigung beiträgt. Schon Wochen vorher wird organisiert, geplant, vorbereitet. Dabei wäre ein Kind ja schon voll und ganz damit zufrieden, wenn in der Schultüte eine schicke Barbie-Puppe, ein Computerspiel oder wenigstens eine geile DVD drin wäre.

Aber warum das alles dann auch noch so feierlich sein muss, und der Stress meistens auch nach der Schule noch kein Ende hat, das versteht kein Kind. Wo es doch schon schlimm genug ist, dass von nun an auch noch die Nachmittage mit so etwas Überflüssigem wie „Hausi“ versaut werden.

Doch zumindest hat sich laut einer zugegebenermaßen nicht unbedingt repräsentativen Umfrage inzwischen eines zum Besseren gewendet. Es soll nämlich keine Mütter mehr geben die versuchen, am Morgen des großen Tages widerspenstige Haarsträhnen mit Spucke zu bändigen. Da vertraut man inzwischen auf Haar-Gel. Dass es auch ein Leben ohne Markenklamotten gibt, dass wissen die meisten Kinder heutzutage sowieso nicht mehr. Also ist wenigstens hier für den ersten Schultag nicht mit zusätzlichem Leidenspotential zu rechnen.

Den größten Stress bei einem Menschen verursacht laut einer Untersuchung die Hochzeit. Jede Wette, dass der erste Schultag auf dem zweiten Platz des Rankings gelandet ist. Also liebe Eltern: Bitte schön cool und chillig bleiben, wenn der große Tag kommt. Stress schadet der Gesundheit. Auch bei Kindern.

pebe