Es lebe der Sport

Die Einschätzung kann natürlich auch nur in der Paranoia eines notorischen Couch-Potatoes begründet sein. Also eines Vertreters jener Spezies, die den Sport nur schätzt, wenn andere ihn ausüben, und man ihnen via Television zuschauen kann. Aber vielleicht wird ja auch manch anderer zurzeit das Gefühl nicht los, dass inzwischen wohl schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung zu Hochleistungssportlern mutiert ist. Zumindest rein optisch.

Die älteren Semester können sich vielleicht noch erinnern: Dass sonntags eine Mannschaft aufs Fußballfeld lief und nicht jeder Fußballschuhe mit Stollen anhatte. Aber sie haben halt gekickt aus Spaß an der Freude und am Sport. Läuft heute eine Mannschaft auf dem grünen Rasen auf, lassen oft nur das fehlende Stadion und die etwas bescheidenere Zuschauerkulisse erahnen, dass es sich um eine Mannschaft der C-Klasse handelt. Ansonsten ist alles wie bei den Poldis und Schweinis.

Und wo sind sie geblieben, diese herrlich lapprigen Trainingshosen, die sich auch so wunderbar dazu eigneten, den Feierabend leger zu gestalten? Mit so etwas ist dereinst jemand seine abendliche Runde gelaufen. Damals, als es noch nicht Joggen hieß und der Stoff des Beinkleides noch nicht „climacool“ sein musste. Ganz zu schweigen davon, dass ein Jogger heutzutage bald nicht mehr ohne Personal Trainer und gleich gar nicht ohne Puls- und Kilometermesser auskommt.

Was früher ein strammer Spaziergang war, heißt heute Nordic Walking. Wofür man natürlich die gleichnamigen Stöcke benötigt, am besten mit Teleskopauszug. Auch wenn sich manche nur daran klammern als hätten sie Angst, umzufallen.

Doch die ärgsten Auswüchse sind bei den Radfahrern und inzwischen auch nicht wenigen Radfahrerinnen zu beobachten. Dass der gute alte Drahtesel mit zwei Reifen, einem Lenker, Sattel und Pedalen längst ausgedient hat, ist keine Neuigkeit. Aber was ist an seinen Platz getreten? Wenn die Pulks einmal etwas größer sind, fragt man sich manchmal, ob die Tour de France jetzt auch schon durch Deutschland führt. Was das Outfit betrifft, ist für den Laien kein Unterschied mehr zu erkennen. Hauteng und windschlüpfrig muss es sein, unbeeindruckt natürlich von jeglichem Übergewicht.

Was da so an einem vorüberrauscht beim Sonntagsspaziergang, das kann zumindest ausstattungstechnisch mit jedem Lance Armstrong mithalten. Womit natürlich keine mobile Apotheke gemeint ist. Es geht hier nur um die Bekleidung. Und natürlich um die Ausrüstung, also das Fahrrad. Wenn es denn überhaupt noch als solches bezeichnet werden kann.

Schließlich handelt es sich um ein Sportgerät, das nicht selten den Gegenwert eines Kleinwagens repräsentiert. Eines Gebrauchten vielleicht, aber immerhin. Den Benutzer lässt es in die Klasse der Hochleistungssportler aufsteigen, auch wenn er mit seinem Carbon-Rennrad meistens nur bis zum Bäcker um die Ecke fährt und anschließend die „Trainingsdaten“ seines Fahrradcomputers auf seinem Rechner speichert – natürlich inklusive Höhenmeter.

pebe