Solche Bilder kennt man eigentlich nur aus Heimatfilmen.
Da sitzt ein Bauer auf einem geschmückten Erntewagen und zieht
zufrieden an seiner Pfeife, die Bäuerin steht in einer Küche
vor dampfenden Töpfen und später tanzen Mägde und
Knechte „um den bunten Erntekranz“, wie es in einem Gedicht
heißt. Was in unseren Tagen vom Erntedankfest geblieben ist,
das sind die zum Teil mit Ähren, Garben und Früchten geschmückten
Altäre in den Kirchen am ersten Sonntag im Oktober, der 1972
von der Deutschen Bischofskonferenz als Erntedankfest deklariert
wurde.
Wer sich die Mühe macht und das Kalendarium der
Feste in Bayern durchforstet, stößt zwar auf Fischerstechen,
Leonhardi-Ritte und Gäubodenfeste, doch nirgends liest er etwas
von einem Erntedankfest. Erst bei weiteren Recherchen erfährt
man von einem Brauch im fränkischen Kitzingen, der mit dem
Erntedank zu tun haben soll. Anfang des 19. Jahrhunderts hätten
dort nämlich fünf Brauereien die Idee gehabt, unter 20
Erdhügeln acht Fässer Bier zu vergraben. Der Erntedank-Umzug
machte dann dort Halt und die Burschen suchten nach den Fässern
und transportierten sie anschließend zum Festplatz. Was es
verständlich macht, dass sich dieser Brauch erhalten hat: Feste,
bei denen das Trinken Hauptbestandteil ist, haben stets überlebt.
Ansonsten scheint den Menschen einfach der Bezug zu
solchen Begriffen wie Ernte verloren gegangen. Es ist unerheblich
geworden, ob es nun gerade Erntezeit ist oder nicht, im Supermarkt
wird ganzjährig geerntet. Himbeeren gibt es auch im Winter,
Äpfel und Birnen das ganze Jahr über und Brot liegt auch
im Regal, wenn Hagelschlag die komplette Ernte in der Region vernichtet
hatte. Was allenfalls an die Erntezeit erinnert, das ist ein gigantisch
großer Mähdrescher, wenn er die freie Fahrt für
uns freie Bürger behindert.
Doch selbst das ist noch kein konkreter Hinweis auf
die Jahreszeit, das kann einem im Frühsommer genau so gut passieren.
Gelitten hat der Gedanke des Erntedanks, den bereits vorchristliche
Religionen kannten und der sich in der römischen Kirche im
dritten Jahrhundert nach Christus als Brauchtum manifestierte, allerdings
auch durch die Nationalsozialisten. Die missbrauchten das Fest,
um mit viel Propaganda die Bauern an die „Volksgemeinschaft“
zu binden, was übrigens immer noch etwas nachhallt in dem einen
oder anderen Text einer bäuerlichen Vereinigung.
Der Bayerische Bauernverband stellte hingegen „aus
Anlass des Erntedankfests die Nachhaltigkeit bäuerlichen Wirtschaftens
im Sinne der Agenda 21 heraus“. Bleibt es also wohl wieder
dem Einzelnen vorbehalten, sich in einer stillen Stunde daran zu
erinnern, dass Nahrung noch nicht gänzlich künstlich hergestellt
werden kann, dass Brot mitunter noch mit Mehl gebacken wird und
Früchte immer noch am besten schmecken, wenn sie gerade geerntet
wurden. Und vielleicht sollten wir unseren Kindern endlich mal wieder
die Wahrheit über die Herkunft von Chips und Pommes frites
erzählen. Das Erntedankfest wäre eine gute Gelegenheit
dazu. (pebe)