Evangelische Johanneskirche

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Evangelisch-lutherische
Pfarrgemeinde Taufkirchen (Vils)

 

Bereits seit mindestens 1.300 Jahren stehen in Taufkirchen (Vils) christliche Kirchen. Mit einem Alter von erst 64 Jahren ist die evangelische Johanneskirche mit Abstand die jüngste. Ihr Standort hängt indirekt mit der Lebensmittelknappheit nach dem zweiten Weltkrieg zusammen. Geflüchtete und Vertriebene evangelischen Glaubens, aus dem Buchenland, Siebenbürgen, Sudetenland, Schlesien und Ostpreußen wandten sich an Pfarrer Edgar Reinhold Scholtes, der von 1946 bis 1950 Pfarrer in Taufkirchen (Vils), Dorfen und Wartenberg war.

Er konnte die Not der damals etwa 300 Protestanten in und um Taufkirchen (Vils) lindern, indem er vielen von ihnen Gartenland zur Bewirtschaftung vermittelte. Dort, wo sich noch heute Schrebergärten zwischen dem Stephansbrünnl­bach und der Attinger Straße befinden, entstanden Obst- und Gemüsebeete, die wesentlich zu einer besseren Versorgung beitrugen.

Pfarrer Scholtes erwarb die Wiese vom damaligen Eigentümer, der Regierung von Oberbayern, kostenlos und gab sie über einen zu diesem Zweck gegründeten Kleingartenverein an 100 Familien, ebenfalls ohne Gegenleistung, weiter. Rückblickend schrieb er von einem „Kristallisationskern“, der sich so für die damals schwach vertretene Konfession am Ort bildete.

Unter seinem Nachfolger Pfarrer Christian Ordnung wurde der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus endlich verwirklicht. Eine erste Idee sah vor, direkt neben dem Stephansbrünnlbach zu bauen, doch die Hochwassergefahr stand dem im Wege. 1954 einigte man sich auf den Hang, der sich im Süden an die Gärten anschließt, damals ein noch fast freies Feld (siehe Foto unten), heute eine dicht bebaute Siedlung.

Johanneskirche Kirchfeld 1956
Evangelische Johanneskirche 1956: Keimzelle der Attinger Siedlung

Schnell entschied man sich dann für einen Architekten. Die Wahl fiel auf den 38-jährigen Olaf Andreas Gulbransson, dessen norwegischer Vater um die Jahrhundertwende als Karikaturist nach München kam. Für welchen Stil Gulbransson stand, davon machten sich Kirchenvorsteher aus Taufkirchen (Vils) ein Bild am Schliersee, wo zwei Jahre zuvor die Christuskirche nach dessen Plänen entstanden war.

Grundsteinlegung für die Johanneskirche war am 16. Oktober 1955, auf circa 600 Mitglieder war die evangelisch-lutherische Gemeinde zu diesem Zeitpunkt angewachsen. In der Urkunde zur Grundsteinlegung schlug man einen Bogen zwischen der Geschichte des Ortes und der Namensgebung: „Hier haben sie eine Taufkirche errichtet und die Heiden zum Sakrament der Heiligen Taufe gerufen“ – die evangelische Kirche soll ihren Namen nach Johannes dem Täufer bekommen.

Evang. Johanneskirche 2006

In nicht einmal einem Jahr vollendete man den Kirchenbau mit einer Grundfläche von zwölf auf zwölf Metern und das direkt anschließende Gemeindehaus. Auffälligstes architektonisches Merkmal ist die Dachkonstruktion. Während auf zwei Seiten die Traufe nur knapp über der Eingangstüre liegt, streben die gegenüberliegenden Wände hoch, fast bis zum First. So ergibt sich eine Zeltform, die typisch für die Kirchen Gulbranssons ist, in der Vilsgemeinde aber auf geteilte Meinungen stieß. Despektierlich war sogar von einem „Schafstall“ die Rede.

Mehrfach wurde seither für Interpretationen der Zeltarchitektur die Bibel, Hebräer 13, Vers 14, zitiert: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern suchen die zukünftige“, gemeint ist die ewige Stadt Gottes. Und schon die Gründungsurkunde von 1955 deutet das Spannungsverhältnis zwischen einem beständigen Bau und der Vergänglichkeit des irdischen Lebens an: „Wir bauen diese Kirche in einer vergehenden Welt, die unter dem Gericht Gottes steht. Aber wir bauen sie im Blick auf das kommende Reich Gottes…“

Zugleich lässt sich die Zeltform allegorisch für das Schicksal der Taufkirchener Protestanten verstehen: Sie wurden aus den festen Häusern ihrer Heimat vertrieben und mussten sich hier erst ein neues Leben aufbauen.

Betrachtet man die Johanneskirche lediglich als einen Ausbruch „künstlerischer Freiheit“, gerade nach zwölf Jahren propagandistisch verordneter ästhetischer Vorstellungen, so wird man der Arbeit Gulbranssons nicht gerecht. Denn nichts ist bei diesem Bauwerk dem Zufall überlassen.

Das Zentrum des Innenraums ist aus der Mitte gerückt, der höchste Punkt der Decke liegt nahe an dem nach Osten ausgerichteten Eck, in dem sich Altar, Kanzel und Taufbecken befinden. Alles drängt so auf den Altarraum zu, der allergrößte Teil des Raumes bleibt den Gottesdienstbesuchern, die sich in einem Viertelkreis darum gruppieren, vorbehalten.

Johanneskirche Altarraum FH1
Pfarrer Edson Schumacher ist beeindruckt von der Höhe des Altarraumes.
Foto: Fabian Holzner

Die künstlerische Ausgestaltung der Decken durch den Maler Hubert Distler gehörte wohl zu den umstrittensten Elementen der Johanneskirche. Die Farben wurden großflächig, kaum schattiert aufgetragen, Konturen entstehen stattdessen durch dunkle Linien. Eindeutig ist dabei die Thematik, die Taufe Jesu. Johannes und Jesus im Jordan bilden das größte Motiv, begleitet von symbolischen Ergänzungen wie einer segnenden Hand und einer Taube, dem empfangenen heiligen Geist.

„Als das Gerüst in der Kirche entfernt wurde, war die Gemeinde entrüstet, die Fachleute begeistert […]“ schrieb Pfarrer Christian Ordnung in einer späteren Erinnerung an das Jahr 1956. Die Fachleute, Vertreter des Kultusministeriums, waren tatsächlich so „angetan“ (Pfarrer Ordnung) von Hubert Distlers Werk, dass sie die Rechnung für die Arbeiten übernahmen.

Die beiden Glocken, die frei in einem Mauerpfeiler hängen, wurden übrigens von himolla-Firmengründer Carl Hierl finanziert. In den Tönen a und c harmonieren sie seither mit denen der katholischen Pfarrkirche Sankt Pauli Bekehrung.

„Eine Kirche ist für mich in erster Linie ein Ort, an dem Menschen sich Zeit nehmen, zur Ruhe kommen und Gott begegnen können“, antwortet der amtierende Pfarrer Edson Schumacher auf die Frage, was ihn mit der Johanneskirche verbinde. „Dass unsere Kirche eine historische Bedeutung hat, ist etwas sehr schönes, steht für mich als Theologe aber nicht an erster Stelle“.

Als besonders gelungen empfindet er die Anordnung des Taufbeckens, das im Mittelpunkt stehend auch den hohen Wert der Taufe widerspiegelt. Die große Nähe, die zwischen ihm und den Gläubigen durch die Reihung der Bänke im Viertelkreis entsteht, schätzt er als architektonische Umsetzung der evangelischen Gemeinschaft. Diese wird auch außerhalb der Gottesdienste gelebt, zu den Höhepunkten zählt das jährliche Johannesfest am 24. Juni, also an dem Tag, an dem die Kirche eingeweiht wurde.

970 Mitglieder zählt Pfarrer Edson Schumachers Gemeinde, zu der auch das Holzland zählt, heute. Die regulären Sonntagsgottesdienste beginnen um 9.00 Uhr, die Anzahl der Besucher ist derzeit durch Abstandsregeln eingeschränkt. Jeden dritten Sonntag im Monat feiert die griechisch-orthodoxe Gemeinde mit Erzpriester Georgios Vletsis die heilige Messe.

Johanneskirche Gottesdienst FH2
Gottesdienst mit Pfarrer Edson Schumacher – unter Eingehaltung des Corona-Abstands für die Besucher.
Foto: Fabian Holzner

Text: Fabian Holzner