Und trotzdem …

Viele von uns befinden sich momentan in bester Gesellschaft. Auch die Mutter von Stephanie zu Guttenberg, Frau des einstigen Wirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, gab ihren Kindern als Leitmotiv fürs Leben mit: „Es kann nichts so schlecht sein, dass es nicht auch für etwas gut ist.“ Und seit wir nun Wörter wie Lockdown oder Basisreproduktionszahl gelernt haben, ist das eine Aussage, für die nicht wenige Menschen in den vergangenen Wochen den Beweis angetreten haben.

Wovon nicht zuletzt das Personal in den Recyclinghöfen ein Lied singen kann. Mehr als glaubwürdigen Berichten zufolge wurden dort nämlich nach der Wiedereröffnung gewaltige Mengen an Material abgeladen, das zu weiten Teilen und ganz offensichtlich aus Entrümpelungsaktionen stammte.

Die guten Vorsätze aus vielen Jahren sind also in Zeiten von Ausgangseinschränkungen, Home-Office und Home-Schooling endlich einmal in die Tat umgesetzt worden. Keller, Speicher und Garagen wurden in zahlreichen Haushalten auf Überflüssiges, gänzlich Unbrauchbares oder lang Vergessenes überprüft – und einer neuen Bestimmung zugeführt.

Oder werfen wir einen Blick auf die Straßen, Waldwege und Parkanlagen in deutschen Landen. Seit Jahrzehnten wurde gepredigt, doch einmal das Auto stehen zu lassen und auf das Fahrrad umzusteigen. Jetzt folgten Heerscharen diesem Aufruf. Und zwar, ohne dass man dazu aufgerufen hätte. Es genügte die Ausnahmeregelung, dass zum Zweck der Körperertüchtigung nach draußen gegangen werden durfte. Was zwar auch für Einkäufe galt, aber durch die Vielzahl geschlossener Geschäfte offensichtlich noch nicht ausreichend motivierte.

Wohingegen auf einmal so viele Menschen ihre Liebe zum Joggen entdeckten, dass man besorgt und geneigt war, sich mit einem Megaphon hinzustellen, um im Namen des Robert Koch-Instituts die Abstandsregeln einzufordern. Was einmal mehr beweist, dass es weniger die vernunftbesetzten Aufforderungen sind, die Menschen dazu bringen, bestimmte Dinge zu tun. Es sind wohl eher der Entzug, die Einschränkungen, die sich hinsichtlich nützlicher Tätigkeiten ausgesprochen motivierend auswirken können.

Allerdings darf man unbeschadet der Lebensphilosophie im Hause zu Guttenberg nicht aus den Augen verlieren, dass sich das für einen glücklicherweise kleinen Teil der Menschen hierzulande offensichtlich ganz anders auswirkt. Nämlich auf manche Gehirnregionen.

Weshalb sie dann entweder fordern, das Virus einfach wirken zu lassen, Bill Gates der Verschwörung beschuldigen oder auf Demonstrationen, auf denen unter anderem der neue Internet-Standard 5G für das Virus verantwortlich gemacht wird, körperliche Nähe zu suchen. Natürlich ohne Mundschutz.

Was nichts anderes bedeutet, als dass diese Menschen noch nicht begriffen haben, dass sie sich natürlich gerne wie Lemminge in den Abgrund stürzen dürfen. Aber bitte nicht aufgrund mentaler Probleme andere Menschen gefährden sollten. Selbst Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner sollten so viel Verantwortungsgefühl haben, andere Menschen nicht wissentlich in Lebensgefahr zu bringen.

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut. Es besagt aber nicht, dass einem die Mitmenschen gleichgültig sein dürfen.

pebe