„Inklusion konkret – Betroffene berichten“

Kurt KeßlerAuszüge aus Interviews mit Kurt Keßler. Der 74-Jährige lebt in Taufkirchen (Vils) und hat Demenz.

Die Interviews wurden von Katharina Gaigl vom Caritas Mehrgenerationenhaus geführt, teilweise gemeinsam mit Schülerinnen der Staatlichen Realschule Taufkirchen (Vils) im Rahmen des Wahlfaches Soziales Lernen.


Interviewer (I):
Grenzt die Diagnose Demenz aus?

Keßler (K): Ja, schon.

I: Was haben Sie da schon erlebt?

K: Komisch ist es, wenn ich blöd angeschaut werde, weil ich was nicht kann. Ich kann ja nichts dafür, dass ich das habe. Mir wär es am liebsten, wenn mich die Leute so nehmen wie ich bin. Und mich auch nicht ständig erinnern, was ich alles vergessen habe oder nicht mehr kann.

I: Welche Unterstützungsmöglichkeiten fehlen Ihnen?

K: Ich würde gern mehr Ausstellungen anschauen und mit dem Bus nach Landshut fahren können.

I: Was raten Sie Menschen, die neu von Demenz betroffen sind?

K: Gar nichts. (Pause). Aber den Angehörigen. Nämlich: Hört auf, uns ständig zu verbessern. Hört auf, an uns rumzukritisieren. Gebt uns was zu tun. Seht nicht nur das, was wir nicht mehr können, sondern das, was wir noch können.

I: Wie fanden Sie den Kurz-Besuch von Frau Huml?
(Melanie Huml, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, besuchte im Sommer 2016 das MGH, Anm. d. Interviewer).

K: Das war schon ok. Die war ja gleich wieder weg, hat ein wenig mitgeholfen beim Lebkuchen-Herzen verzieren. Eins haben wir ihr dann geschenkt. Da hat sie sich gefreut.

I: Was möchten Sie dem Bürgermeister gerne sagen?

K: Es war schön, dass er uns mal in der Demenzgruppe im MGH besucht hat. Das würden nicht viele Bürgermeister machen. Er soll sich öfter Zeit nehmen und mit uns selbst reden, nicht nur mit den anderen. Er kann ruhig öfter vorbeikommen. Dann kann er sich das schon mal in Ruhe anschauen. Für später (lacht). Dann merkt er, dass es bei uns gar nicht so schlimm ist.

In Deutschland sind derzeit ca. 1,5 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen. Bis 2050 werden nach derzeitigen Prognosen bis zu 3 Millionen Menschen daran erkrankt sein (Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft).

Die bei uns am häufigsten vorkommende Form ist die Alzheimer-Demenz. Die Wahrscheinlichkeit, eine Demenz zu bekommen, steigt mit dem Alter. Bisher ist die Erkrankung nicht heilbar.

Es wäre hilfreich, wenn so viele Menschen wie möglich wissen, wie sie gut mit Demenz-Betroffenen umgehen können und wo man Hilfe und Unterstützung findet. Wichtig für die Betroffenen und die Angehörigen ist es, „dabei bleiben zu können“.

Wir sind Herrn Keßler sehr dankbar über seine Bereitschaft, den Text veröffentlichen zu lassen. Wie er schon sagt: „Man kann nichts dafür“ und deshalb brauchen sich weder Betroffene noch Angehörige dafür schämen.

Beratung, Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten in der Gemeinde:

  • – Seniorenlotsin Daniela Hampel, Tel. 08084 2578-18, daniela.hampel@caritasmuenchen.de
  • – Ihr Hausarzt
  • – Gedächtnisambulanz (Institutsambulanz) kbo, Tel. 08084 934-455