Der 23-Stunden-Tag

Obwohl es sie jetzt schon seit Jahrzehnten gibt, ein Rätsel ist es für viele Menschen geblieben. Muss man nun die Uhr vor- oder zurückstellen, wenn von der so genannten Zonenzeit auf die Sommerzeit umgestellt wird? Oder geht mir an diesem Tag sogar eine Stunde von meiner wertvollen Schlafenszeit verloren? Weil ich nämlich um zwei Uhr aufstehen und alle Zeitmesser in der Wohnung oder im Haus umstellen muss, zum Beispiel.

Auf jeden Fall ist es in der Nacht vom 28. auf den 29. März wieder einmal so weit. In dieser Sonntagnacht um Punkt Zwei werden landes- und europaweit die Uhren, und das zumeist automatisch, auf 3 Uhr vorgestellt. Zumindest jene an und in öffentlichen Gebäuden, bei Firmen oder Ämtern. Erfahrungsgemäß kann es in den privaten Haushalten etwas länger dauern, bis diese Umstellung vorgenommen ist, weshalb man Verabredungen an diesem und den folgenden Tagen orientalisch gelassen sehen sollte.

Und außerdem gibt es noch jene Spezies, die überhaupt nichts umstellt. Diese Menschen argumentieren damit, dass ja im Herbst wieder alle Uhren um eine Stunde zurückgestellt würden. Weshalb sie keinen Grund sähen, sich an dieser Sisyphos-Arbeit des alljährlichen Uhren-Umstellens zu beteiligen. Was bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts und später von 1940 bis 1949 in Deutschland als Maßnahme zur Energieeinsparung eingeführt und nach der ersten Ölkrise in den 70-er Jahren ab 1980 dann zur Dauerregelung wurde, bringt die Menschen immer noch durcheinander oder sogar auf.

Was einfach daran liegt, dass die innere Uhr von uns Menschen nichts weiß von Ölkrisen und Energieeinsparung. Die richtet sich vielmehr nach den Sonnenauf- und -untergängen. Wird es dunkel, gibt die Zirbeldrüse eine Runde Melatonin aus, das uns müde macht. Kommt dann bei Tagesanbruch Licht in die Sache respektive auf das menschliche Auge, wird der Botenstoff wieder zurückgepfiffen. Weshalb die Wissenschaft sich zwischenzeitlich auch auf den Begriff des „Mini-Jetlags“ geeinigt hat, der bei jeder Zeitumstellung eintritt. Und Statistiken belegen, dass im ersten Monat nach der Zeitumstellung Schlafstörungen und Konzentrationsschwächen nichts beunruhigendes sein müssen.

Doch Zeit und der Umgang mit ihr haben auch anderweitig seltsame Auswirkungen auf uns Menschen. Denken wir doch nur einmal daran, dass sich gerade im Industriezeitalter unzählige Ingenieure der Frage gewidmet haben, wie uns technische Geräte Zeit sparen können. Der Erfolg davon war, dass immer mehr Menschen immer weniger Zeit hatten und haben.

Beispiel Computer, nachgezeichnet anhand einer namentlich bekannten Person: Irgendwann hatte diese nämlich festgestellt, dass sie für ihre Korrespondenz, die sie bisher auf einer elektrischen Schreibmaschine erledigt hatte, recht viel Zeit brauchte und sich deshalb einen Computer anschaffte und einen schnellen Internetanschluss. Und plötzlich mehrere Stunden am Tag damit verbrachte, im Internet zu surfen. Ganz zu schweigen von der Zeit, die sie brauchte, um Briefe zu suchen, die irgendwo und -wie in den unergründlichen Tiefen des PCs verschwunden waren.

Doch es ist ein kluger Mensch, von dem hier die Rede ist. Der Computer kam aufs Abstellgleis. Und auf einmal war wieder Zeit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Wie zum Beispiel das Umstellen der Uhren auf Sommerzeit.

pebe