Geiz ist geil

Es gab Zeiten, und der Eine oder Andere wird sich vielleicht sogar noch an sie erinnern, in denen dieses Wort ausschließlich für einen bestimmten körperlichen oder mentalen Erregungszustand Anwendung fand. Inzwischen hat es ebenso in den Alltag von Jung und immer öfter von Alt Einzug gehalten wie in der Werbung.

„Geiz ist geil“ schallt es aus den Lautsprechern von Radio und TV, und das ist beileibe nicht nur das Motto einer Elektro- und Multimedia-Kette, sondern inzwischen für manchen wohl auch zur Lebensdevise geworden. Womit an der ursprünglichen Bedeutung des Wortes offensichtlich wieder angeknüpft wird.

Denn es scheint Erregung mit im Spiel zu sein, wenn hunderte Menschen stundenlang anstehen, um einen Artikel zu erstehen, von dem sie am Tage zuvor noch nicht einmal wussten, dass sie ihn brauchen. Ihn dann aber doch und bisweilen unter Einsatz ihrer Gesundheit erstehen, weil er so billig ist. Ein Schnäppchen halt.

Womit wir beim zweiten Wort wären, das für diese Entwicklung symptomatisch ist. Denn früher waren die Menschen sparsam. Verzichteten auf dies und das, um sich vielleicht etwas anderes leisten zu können oder einfach um was auf die hohe Kante zu legen. Inzwischen ist es ein Volkssport geworden, Dinge, unbeschadet ob man sie gerade braucht oder nicht, zu kaufen, weil sie zehn Euro billiger sind als sonst.

Dafür fährt man auch schon mal gerne hundert Kilometer und mehr. In diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass bei den aktuellen Spritpreisen und den sonstigen Kosten für einen Pkw ein Kilometer leicht mit 50 Cent zu Buche schlägt, ist wohl nur etwas für Kleinmütige. Denn offensichtlich geht es nicht darum, wirklich etwas zu „sparen“. Den Vorteil, den man sich in Euro und Cent verschafft hat, das ist der Kick. Und vielleicht für manche zum Ersatz für andere erregende Beschäftigungen geworden.

Doch um auch mal einen positiven Aspekt ins Spiel zu bringen: Diese neue Geilheit bringt immer mehr Menschen dazu, um Preise und Nachlässe zu feilschen, was uns anderen Kulturkreisen näher rücken lässt, die früher in dieser Hinsicht eher missbilligend beäugt wurden. Einkaufstechnisch ist Deutschland zu einem Basar geworden, und vielleicht ist der Tag nicht mehr fern, an dem gut situierte Hausfrauen mit dem Supermarkt-Fachpersonal auch bei den kleinen Dingen des Alltags um den Preis verhandeln. Wäre es nicht geil, das Kilo Tomaten 32 Cent billiger zu bekommen?

Doch derzeit scheint es – vielleicht auch aufgrund der aktuellen politischen Jamaika-Diskussion – irgendwie mit der Erregung in deutschen Landen nicht so weit her zu sein. „Deutsche im Konsum-Streik“ titelte unlängst ein Münchener Boulevard-Blatt, vermeldete massive Umsatzeinbußen im Einzelhandel und dass sich Experten um das Weihnachtsgeschäft sorgten.

Und da offenbart sich wohl die Kehrseite dieser Entwicklung zu Schnäppchen-Mentalität und Outlet-Tourismus. Immer nur „geil“ zu sein ist auf Dauer eben doch etwas unbefriedigend. Wenn da nicht hin und wieder mal richtig Entspannung angesagt ist, kann das langfristig ganz schön frustrierend werden.      pebe